1. Oktober 2014
Am 29. September diskutierte der BDA Bayern unter dem Motto „Wohin der Wind weht“ über den Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung, der die Mindestabstände beim Bau von Windkraftanlagen regeln soll – Stichwort „10 H“. „Landschafts- und Baukultur muss zur Brücke der Energiewende werde“ betonte Karlheinz Beer, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern, bei seiner Einführung zum Thema.
Windkraftanlagen gehören mit ihrer Höhe von 200 Metern zu den gravierenden Eingriffen in unser Landschaftsbild. In Bayern stehen bereits 652 dieser Windräder. Um laut Windkrafterlass die Ziele der Energiewende zu erreichen, sind nach bisherigen Berechnungen mindestens 1500 Anlagen im Freistaat erforderlich. Doch nach welchen Kriterien werden sie eigentlich in der Landschaft positioniert?Landschaftsplaner und Architekten sind nach gängiger Praxis nicht an den Genehmigungsverfahren beteiligt. „Es kann nicht sein, dass weithin sichtbare Windräder ohne jede gestalterische Kontrolle aus dem Boden schießen“ meinen Lydia Haack und Jörg Heiler, die Initiatoren der Podiumsdiskussion. „Baukultur hat große Bedeutung für unsere Häuser und Städte, aber natürlich auch für unsere Landschaften. Wir denken hier ganzheitlich. Deswegen kümmern wir uns um die Gestaltung der Neuen Energien, also auch der Windenergie, in der Kulturlandschaft. Ein rein technisch-ökonomischer Ansatz greift hier zu kurz. Wir sprechen uns eindeutig für die Weiterentwicklung unseres Landschaftsbildes, das über die gesamte Geschichte hinweg ein Abbild der jeweiligen Gesellschaft war.“
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Windenergie ist nicht neu für den BDA. Im Juni dieses Jahres unterzeichneten Karlheinz Beer, Jörg Heiler und Jakob Oberpriller die kritische Stellungnahme des BDA Bayern zum so genannten 10H Gesetz, das auf Betreiben von Ministerpräsident Seehofer in Kürze vom Landtag verabschiedet werden soll. Das Inkrafttreten des Gesetzes würde eine Änderung der Bayerischen Bauordnung bedeuten indem der Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohnbebauungen auf das zehnfache der Windradhöhe erhöht wird. Auch in der »Resolution zum Ausbau erneuerbarer Energien« sprach sich der BDA, dieses Mal im Schulterschluss mit der Architektenkammer und weiteren Berufsverbänden, gegen das Gesetz aus, das de facto den Ausbau der Windenergie in Bayern zum Erliegen bringen wird.
Die Podiumsdiskussion hatte also das ambitionierte Ziel , die komplexen politischen, soziologischen, und technischen Hintergründe der Windkraftdebatte transparent zu machen und das Potenzial möglicher Handlungsräume für Landschaftsarchitekten und Architekten auszuloten. „Diese Bilder kann man nicht mit unserer Situation vergleichen, bei uns sind die Windräder halt 200 Meter hoch!“ konterte gleich zu Beginn Martin Wölzmüller vom Bayerischen Verein für Heimatpflege auf die romantischen Bilder aus Holland, Griechenland und Spanien, die Reihen historischer Windmühlen in Harmonie mit Baudenkmälern und Landschaft zeigten. Weshalb Windräder in Bayern viel höher sein müssen, um effizient zu sein, als in anderen Bundesländern verdeutlichten die Windkarten aus dem aktuellen Windatlas Bayern: „Im Gegensatz zu Offshore-Anlagen an der Nordsee bläst bei uns der Wind erst in 160 Meter Höhe konstant mit über 5 Metern pro Sekunde. Viele kleine dezentrale Anlagen auf den Hausdächern bringen gar nichts, denn der Energieertrag wächst exponentiell mit dem Durchmesser der Rotoren.“ klärt Wolfgang Mayer, Professor für regenerative Energien an der Hochschule Kempten auf. Dass die Akzeptanz von Windenergieanlagen deutlich steigt, wenn die Anwohner am Ertrag beteiligt sind , brachte Soziologin Cordula Kropp in die Diskussion ein und Christoph Schreyer, Kreisbaumeister aus Garmisch Partenkirchen erläuterte die verfahrensrechtlichen Prozesse, nach denen bisher die Standorte festgelegt werden: Durch Ausschlusskriterien wie Lärmschutz für Anwohner, Naturschutz, Vogelschutz und militärisch bedingte Einschränkungen, bleiben nur noch wenige potenzielle Standorte übrig. Christian Sebald, der die Debatte als Redakteur der Süddeutschen Zeitung seit Jahren verfolgt sieht einen wesentlichen Grund für die Ablehnung der Windkraft bei Öffentlichkeit und Politik in der Unkenntnis der komplexen Sachlage und in Missverständnissen in der Kommunikation. Nach dieser Runde der Bestandsaufnahme forderte Architekt Jörg Heiler, Energiebauten nicht als Fremdkörper zu behandeln, sondern im Rahmen eines Gesamtkonzeptes in die Landschaft zu integrieren und nicht an der Vorstellung eines statischen Landschaftsbildes festzuhalten, das es ja nie in der Geschichte gegeben hat. Sören Schöbel , Professor für großräumiges regionales Entwerfen zeigte anhand eines konkreten Projektes, wie die Zukunft der Landschaftsgestaltung mit Windkraft aussehen könnte: Er wurde von den Projektanten zweier Windparks im weiteren Umfeld des Unesco Weltkulturerbes Wieskirche beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Allein die Tatsache das ein Landschaftsarchitekt in einem Genehmigungsverfahren mitwirkt hat Pilotcharakter. Die sensible Einbindung in die morphologische Struktur der Landschaft und die Überwindung von Gemeindegrenzen könnten beispielhaft sein für eine Planung auf regionaler Ebene jenseits der Kirchturmpolitik einzelner Kommunen.
Brauchen wir überhaupt die Windkraft in Bayern? Wenn unsere Gesellschaft weiterhin nicht zum Verzicht bereit ist, wird die Windkraft auch in Bayern einer von vielen Bausteinen der Energieversorgung sein. Der wichtigste Beitrag kam aus dem Publikum: Für Befürworter wie für Gegner stellen die Windräder eine markante Veränderung unsrer Landschaft dar. Bevor wir den Ausbau von Windparks betreiben, um energiepolitische Quoten zu erfüllen, brauchen wir nicht nur einen Windatlas, sondern eine Kartierung mit sämtlichen potenziellen Energiequellen in Bayern. Dort wo nach Prüfung aller anderer Möglichkeiten, Windkraftanlagen die geeignete Lösung darstellen, sollten aber Architekten und Landschaftsarchitekten mit einbezogen werden, denn die haben wie Sören Schöbel bekräftigte „den gesellschaftlichen Auftrag für eine verantwortungsvolle Gestaltung unsrer Umwelt.“