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Landschaftsarchitektur als Überlebensmitte

5. Juli 2017

Laura Trumpp
Laura Trumpp

Dass Landschaftsarchitektur mehr sein kann als die Gestaltung von Grünanlagen oder Plätzen, zeigt die AusstellungDraußen“ im Architekturmuseum der TU München am Beispiel von zehn Fallstudien auf vier Kontinenten.

Man kann ja darüber schmunzeln, was bei manchen Projekten als „Landschaftsarchitektur“ angegeben ist: die Begrünung eines Höfchens oder die Revitalisierung einer Asphaltfläche. Viele Landschaftsgestalter sind es deshalb auch leid, nur als Experten für Pflanzenarten und Gartenbau wahrgenommen zu werden – gleichsam als Anhängsel bei Hochbauprojekten. Ihr Ziel ist es, durch umfassende Freiraumplanung einen neuen Status zu gewinnen. Diese Ausrichtung unterstützt die aktuelle Schau im Münchner Architekturmuseum und greift dabei weltweit aus: Unter dem Titel „Draußen“ vermittelt sie auf eindrucksvolle Weise beispielhafte Problemfälle, bei denen Landschaftsplanung gleichsam am Nullpunkt oder noch darunter ansetzen muss.
Hintergrund der Ausstellung ist die bestürzende Tatsache, dass die Menschheit längst damit begonnen hat, in unzähligen Regionen der Erde ihre Lebensgrundlagen zu zerstören: vor allem durch eine großflächige Vernichtung der ursprünglichen Vegetation und eine massive Verseuchung des Wassers. Viele Landschaften sind aus Profitgier, und noch schlimmer: aus Dummheit, zu katastrophalen Orten geworden. Zehn von ihnen zeigt die Münchner Schau, die von fünf Hochschullehrern gemeinsam erarbeitet wurde. Sie verlangt viel Zeit, was sich aber lohnt: Von der Analyse der jeweiligen Situation bis hin zu möglichen Lösungen lassen sich die Problemlagen gut erkennen.
Im Gegensatz zum dargestellten Elend ist die Ausstellung sehr aufwendig gestaltet. Jeder Fall wird auf eigens gebauten Möbeln mit ausziehbaren Tablaren präsentiert, ergänzt durch angenehm informative Filme, durch Projektionen, Schautafeln, Modelle oder Publikationen. Auch die zunächst überraschend feierliche Inszenierung macht Sinn: Umhüllt von schwarz gestrichenen Wänden, konzentrieren Lichtinseln das Auge auf die einzelnen Themen. Dabei wird anschaulich, wie intensiv sich die fünf Arbeitsgruppen – zusammen mit ihren örtlichen Partnern – den unterschiedlichen Problemen gewidmet haben. Von Landschaftsarchitektur im herkömmlichen Sinn kann man jedoch nicht mehr sprechen: In Casablanca etwa hat ein deutsch-marokkanisches Team aus Landschaftsplanern, Stadtökonomen, Wasserexperten, Klimaforschern und Agrarwissenschaftlern daran gearbeitet, die Landwirtschaft an der Peripherie zu sichern.
Ob am Rand von Madrid oder im ruandischen Kigali, ob in Lima oder auf Bali, stets müssen drei Kernprobleme gelöst werden: mangelnde Versorgung mit sauberem Wasser, Erosion der Böden, fehlende soziale Infrastruktur. Landschaftsplanung kann auch dabei helfen, die Zwangsumsiedlung der Bevölkerung wie etwa im kolumbianischen Medellín zu verhindern. Es ist das Verdienst dieser Ausstellung, dass sie den Blick auf Regionen richtet, mit denen wir global vernetzt sind. Ihr Motto heißt zu Recht: „Landschaftsarchitektur nicht als Luxusgut, sondern als Werkzeug zum Überleben.“¹

Wolfgang Jean Stock
¹Quelle: Architektur aktuell, Heft 7–8/2017, Journal: Ausstellung ‚Draußen‘

Ausstellung
DRAUSSEN. LANDSCHAFTSARCHITEKTUR AUF GLOBALEM TERRAIN

27. APRIL 2017 – 20. AUGUST 2017
Architekturmuseum der TU München
Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40, München
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Laura Trumpp
Laura Trumpp
Blick in die Ausstellung