5. Juli 2017
War es das geografische Paradoxon in Franken, dass die Alpen den Blick nach Norden versperren, oder eine gewisse Zurückhaltung gegenüber neuen Ideen, jedenfalls dauerte es ein paar Jahre, bis die Idee, nach Belgien zu fahren von den Mitgliedern des Kreisverbandes Würzburg-Unterfranken gut geheißen wurde. Dann aber fielen die Schranken. Eine nicht zu erwartende Zahl – 34 Personen – bestieg am 25. Mai 2017 den Bus. Gastfrei, wie die Unterfranken sind, begrüßten sie freudig Begleiter aus andern Teilen Bayerns. Die Reise galt nur einem kleinen Teil des Landes nämlich Flandern mit den Städten Antwerpen, Gent und Löwen. Brüssel und die Wallonien müssen warten.
Eine Mittagspause unterbrach die Hinfahrt im niederländischen Maastricht. Im prallen Leben der Altstadt suchten wir die gotische Dominikanerkirche mit wunderbar leicht eingebauter Buchhandlung (Arch. Merkx+ Girod) auf und das etwas weniger ansprechende Kruisherenhotel mit Beleuchtung und Eingang von Ingo Maurer. Der Abend in Antwerpen bot einen ersten Einblick in die großartige Altstadt, dem am nächsten Tag ein sattes Programm an neuer Architektur folgte. Sichtbar wurde, wie die Stadt eines Rubens oder Jordaens sich der Moderne stellte. Auftakt war Zaha Hadids jüngstes Werk, die Erweiterung des Hafenhauses. Es hat weniger Masse als die Hamburger Philharmonie, aber ähnliche Fernwirkung. Es folgten vier Wohntürme am Hafenbecken (Arch. Diener + Diener, Tony Fretton, Chipperfield), das Museum am Strom- MAS, dessen Dachterrasse einen schönen Blick auf die Stadt bot (Arch. Neutelings + Riedijk)- , der Gerichtshof (Richard Rogers, Ove Arup, VK Studio), das Singel Art Center (u.a. Stephane Beel), das Maison Guiette von Corbusier bis zu mittäglichen Pause im Middelheimpark, dem vielleicht größten, sicher aber schönsten Skulpturenpark Europas mit Pavillons von Renaat Braem und Robbrecht en Daem. Am Nachmittag besichtigten wir das Sanierungsgebiet „T`Groen Kwartier“, ein ehemaliges Militärhospital, das zum ruhigen Wohnen autofrei umgebaut wird und eine Servicestation für Studenten in der Altstadt. Am nächsten Tag in Gent folgten wir zwei Führern auf getrennten Wegen vom Gravenstejn durch die Altstadt von Gent bis zur Stadtshal von Robbrecht en Daem und weiter bis zur Universitätsbibliothek The Krook (Arch. Aranda, Pigem,Vilalta). Zwischen historische Häuser sind sehr geschickt neue Bauten eingefügt, wie z. B. auf besonders spannende Weise beim Marriot Hotel. Die Stadhal war leider in ihrer Wirkung durch Buden und Hütten um sie herum eingeschränkt. Die Sint Lucas Kunstschule ist ein großer Bauschaden, was auf viel Mut des Architekten De Geyter schließen läßt.
Südlich der Altstadt füllt sich allmählich ein Kulturzentrum auf dem Gelände eines ehemaligen Klosterhospitals, mit Bauten von De Vylder, Vinck, Taillieu. Im Stadtteil Ledeburg standen neben dem Dienstleistungszentrum der gleichen Architekten kleinere Häuser an Straßenecken auf dem Programm, sich besonderer Gestaltung erfreuten.
Am dritten Tag wurde die Rückfahrt in Löwen unterbrochen, um den Bau des Landwirtschaftskollegs, (Arch. Geers,Van Sveren), die Bibliothekserweiterung der Campus Universität Arenberg (Rafael Moneo), das Sportzentrum (Rossi + De Gregorio) zu besichtigen. Während die jungen Kollegen hungrig die Altstadt stürmten, wählten die älteren das Paradies des großen Beginenhofs, um Tapas mit dem wunderbaren Hausbier zu genießen.
In Flandern hat sich nach langer Stagnation in wenigen Jahren eine moderne Architektur von hoher Qualität etabliert, angeregt von internationalen Beispielen und getragen von innovativen und mutigen Architekten aus dem Land selbst.
Ulrich Karl Pfannschmidt