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Vergabe(un)praxis

15. September 2017

Die Bude brennt – umschreibt ein Kollege treffend die Situation der Auftragsvergabe bei VgV-Vergabeverfahren. Kleine und mittelgroße Büros sehen sich zunehmend als Platzhalter in Verfahren, deren Ausgang bereits fest steht: die Scheinsicherheit XXXL ist gefragt. Größter Umsatz, die meisten passgenauen Referenzen in den letzten 3 Jahren, die meisten Mitarbeiter, das minimal zulässige Honorarangebot. Selbst kleinste Bauaufgaben werden mittlerweile an bundesweit agierende große Büros vergeben. Die Konsequenz: eine Verdrängung der kleinen und regional tätigen Büros, damit einhergehend der Verlust von Baukultur. Zu Pessimistisch? Bereits 2015 wurden 55 Prozent der öffentlichen Auftragssummen an nur 6% der Architekturbüros vergeben. Es gibt eine Reihe von Vergabeverfahren nicht nur im Oberschwellenbereich (VgV), sondern auch im Unterschwellenbereich mit der gleichen ruinösen Tendenz für kleine Büros. Dort könnte im Gegensatz zu VgV-Verfahren der Auftraggeber bewusst den Teilnehmerkreis setzen. Umso unverständlicher ist auch hier die Bevorzugung höherer Umsatz- und Mitarbeiterzahlen, die kleine Büros nicht nachweisen können, und für eine erfolgreiche Planung auch nicht benötigen. Die letzten verfügbaren Zahlen für das Jahr 2015 (Bund): 6% aller Architekturbüros haben mehr als 10 Mitarbeiter und generieren 44% des Gesamtumsatzes. Bei 85% aller Architekturbüros sind maximal 1 bis 4 Personen tätig, 55% sind im Jahr 2015 sogar Ein-Personenbüros (Quelle: Statistisches Bundesamt 2017). Eine Vergabepolitik, die große Büros bevorzugt, betrifft zwangsläufig nahezu jeden freischaffenden/e Architekt/in, also uns alle!

Die Beispiele für eine unfaire Vergabepraxis sind vielfältig. Nur zwei Beispiele: 1. eine höhere Bewertung von Mitarbeiterzahlen „größer 4“ benachteiligt per Definition 85% der Büros, Mitarbeiter „größer 1“ immer noch 55% aller Kollegen. Beispiel 2: eine höhere Umsatzbewertung „ab 300.000 Euro“ benachteiligt ebenfalls 85% aller Büros, da der Durchschnittsumsatz je Mitarbeiter 2015 für 1- bis 4-Mann-Büros bei 67.000 Euro je Mitarbeiter lag. Nüchterne Zahlen, harter Ausschluss, Verwehrung des Marktzuganges. Vergaberechtler kontern ebenfalls nüchtern, daß gegenwärtiges Recht genügend Grundlagen für die Berücksichtigung junger und kleiner Büroorganisationen liefert, z.B. die Verpflichtung der Auftraggeber zur Wahl angemessener Eignungs- und Zuschlagskriterien. Doch berücksichtigt zu sein bedeutet nicht, beauftragt zu werden und bauen zu dürfen. Man bleibt Platzhalter, gefühlt und real. Für junge Büros als Teilgruppe der kleinen Bürostrukturen sind VgV-Verfahren in der Regel ohnehin von Anfang an aussichtslos.

Wenn kleine und mittelgroße Büros systematisch benachteiligt werden, sollten wir dringend Wege aufzeigen, wie diese Mehrheit der Büros wieder erfolgreich an VgV-Verfahren und unterschwelligen Vergabeverfahren teilnehmen können. 1. Der Apell gilt dem Auftraggeber, die Kriterien für den Verfahrenszugang angemessen zu wählen. 2. Unbedingt erforderlich sind verfahrensbetreuende Architekturbüros, die im Interesse der Architektenschaft faire Verfahrensbedingungen durchsetzen. Eine Verfahrensbetreuung durch fachfremde Nicht-Architekten ist abzulehnen. 3. Auch die Kammer muss regulierend unfaire Praktiken rigoros aufzeigen und benennen (siehe obige Beispiele der Diskriminierung). 4. Es müssen endlich Qualitätskriterien (Preise, Wettbewerbserfolge) und regionale Nähe gefördert werden. Notfalls muss die Reform des Vergaberechts angestrebt werden, mit uns Betroffenen und nicht über unsere Köpfe hinweg. 5. Wir Architekten müssen unsererseits unbedingt Aufklärungsarbeit über angemessene Anforderungen leisten. Ein kleiner Kindergarten beispielsweise kann von einer einzigen Person geplant und betreut werden, einschließlich Bauleitung. Oder planen 55% der Architekturbüros (1-Personen-Büros) nur Bushaltestellen? Wobei auch diese Aufgabe hervorragend gelöst werden kann, wie wir aus Krumbach wissen.

Der BDA Bayern möchte sich ein möglichst dichtes Bild gegenwärtiger Vergabe(un)praxis machen, mit dem Ziel, das vertrauensvolle Miteinander zwischen Bauherr und Architekt wieder zu erlangen. Welche Erfahrungen bei Vergabeverfahren haben BDA-Kollegen gemacht? Sind negative Beispiele Einzelfälle oder ein Flächenbrand? Welche Vorschläge für faire Vergabestrategien habt Ihr / haben Sie? Schreiben Sie uns an fairevergabe@bda-bayern.de Selbstverständlich werden alle Mails im Landesvorstand vertraulich behandelt.

Ausblick: Da auch im Unterschwellenbereich die UVgO als kleine Schwester der VgV neue Regulierungen mit sich bringt, ist der Ausblick für kleine Büros düster. Die Bude brennt – schon oder noch, je nach Perspektive. Wir sollten löschen!

Matthias Köppen,
Vorstandsmitglied Landesverband Bayern
Referent für Wettbewerb, Vergabe und Baukultur
Stand: Juli 2017

Der BDA Bayern hat unter anderem zwei Anträge zur Vergabeverordnung (VgV) an die Vertreterversammlung der Bayerischen Architektenversammlung formuliert, die von dieser zur weiteren Bearbeitung an den Vorstand bzw. die zuständige Projektgruppe verwiesen wurden. Initiiert durch diese Anträge wird in der ByAK derzeit intensiv am Thema VgV gearbeitet, im Haupt- wie im Ehrenamt.

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