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Ausstellung: Does Permanence Matter? Ephemeral Urbanism

15. November 2017

Ephemerer Städtebau in einer Münchner Ausstellung

Temporär statt dauerhaft, provisorisch statt endgültig: In seiner aktuellen Ausstellung zeigt das Architekturmuseum der TU München zwei Dutzend Fallbeispiele für „ephemeren Städtebau“. Die Schau beruht auf intensiven Forschungen von zwei Wissenschaftlern.

Den Anstoß für die umfangreiche Ausstellung in der Pinakothek der Moderne gab eine langfristige Studie von Rahul Mehrota (Harvard) und Felipe Vera (Santiago de Chile), die weltweit Hunderte von ephemeren Orten systematisch untersucht haben. Demnach werden flexible bauliche Strukturen für ganz verschiedene Funktionen eingesetzt: bei religiösen und kulturellen Veranstaltungen, bei großen Festen, bei Camps für Militär und Flüchtlinge, aber auch beim innerstädtischen Handel. In allen Fällen geht es darum, teilweise sehr große Menschenmengen kurz- oder mittelfristig zu versorgen. Die Spannweite, Vielfalt und Größe der Aufgaben spiegelt sich in der Ausstellung: vom kleinen Bauernmarkt an der Münchner Pinakothek, der samstags etwa 750 Kunden versorgt, bis hin zur Kumbh Mela Wallfahrt in Indien, dem größten Pilgerfest der Welt, das alle zwölf Jahre für zwei Monate stattfindet und an gut besuchten Tagen bis zu 30 Millionen Menschen beherbergt.
Dieses hinduistische Fest in Allahabad, „die größte ephemere Megacity der Welt“, bildet den Gipfel der Schau: Mit Staunen nimmt man zur Kenntnis, wie das riesenhafte Gefüge aus Low-Tech-Bauten errichtet, mit Infrastruktur versorgt und nach Ende des Festes wieder beseitigt wird. Auch andere Beispiele weiten den Blick und zeigen Lebensformen, die in Europa bislang unbekannt sind, darunter ein chinesischer Markt unter einer mächtigen Autobahnbrücke. Sehr anschaulich, durch einen Film im Zeitraffer, wird der tägliche Rom Hoop Markt in Thailand vorgestellt, der sich bis über die Gleise einer Eisenbahnlinie ausgebreitet hat: Jedes Mal, wenn sich ein Zug ankündigt, räumen die Händler ihre Waren weg und schlagen die Planen ihrer flexibel aufgebauten Stände zurück – und unmittelbar nach der Durchfahrt nimmt der Markt wieder den Schienenweg ein.
Neben unterschiedlich großen Flüchtlingsunterkünften in München und in Äthiopien, einem Militärcamp in den USA und einer Bergbausiedlung in Chile führt die Ausstellung auch Beispiele vor Augen, die weltweit bekannt sind: etwa das Münchner Oktoberfest, das Burning Man Festival in Nevada und den Samba-Karneval in Rio, der sich nicht nur vor der 1984 errichteten Tribüne von Oscar Niemeyer abspielt. Ausführlich erläutert werden die Zeltstädte des muslimischen Haddsch in Mekka durch ein Interview mit dem deutschen Architekten Mahmoud Bodo Rasch, der die Regierung von Saudi-Arabien berät.
Zur Vertiefung der Schau ist ein reich illustriertes Magazin erschienen, leider jedoch nur auf Englisch, was in der Öffentlichkeit bereits kritisiert wurde – auch die Aufsätze von Saskia Sassen und Richard Sennett erreichen somit ein begrenztes Publikum. Sozusagen zum Ausgleich kann der Besucher zu jedem der Projekte ein zweisprachiges Informationsblatt mitnehmen, das die wichtigsten Angaben enthält.

Wolfgang Jean Stock
Quelle: Architektur aktuell, Heft 11/2017, Journal: Ausstellung Ephemer

 

2017 AM/Laura Trumpp
2017 AM/Laura Trumpp
Eindrücke der Ausstellung

 

2017 AM/Laura Trumpp
2017 AM/Laura Trumpp
Eindrücke der Ausstellung

 

2017 AM/Laura Trumpp
2017 AM/Laura Trumpp
Eindrücke der Ausstellung

 

2017 AM/Laura Trumpp
2017 AM/Laura Trumpp
Eindrücke der Ausstellung