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Nachbericht: BIM Workshop, Teil 2

10. Februar 2018

01. Februar 2018, 18–21 Uhr
Geschäftsstelle BDA Bayern
Türkenstraße 34, München

„Auch für den zweiten Teil des BDA-BIM-Workshops lag unser Anspruch darin, eine übersichtliche Einführung in das komplexe Thema zu bieten und auch für IT-Laien verständlich zu sein“ resümierte Moderator Rainer Post, Referent für Honorar- und Baurecht im Landesvorstand des BDA Bayern, die auf hohem fachlichen Niveau geführte Diskussion am Ende der Veranstaltung. Den vier Fachreferenten gelang es gemeinsam mit den Kommentaren des fachkundigen Publikums in nur zweieinhalb Stunden ein sehr anschauliches und detailliertes Bild zu zeichnen, wie Architekten schon heute mit der BIM-Methode umgehen können, obwohl es noch keine rechtlichen Regelungen dafür gibt. So bekamen die rund 20 Teilnehmer konkrete Antworten auf die wesentlichen Fragen: Welchen Vorteil bringt BIM für den Workflow der Architekten? Welche Leistungen muss ein Architekt im Rahmen eines BIM-Projekts erbringen? Welchen Aufwand müssen sie dafür kalkulieren? Können sie sich die BIM-Leistungen honorieren lassen und zu welchen Honorarsätzen? Wie ist ein BIM-Projekt strukturiert und wie bildet sich diese Struktur im Architektenvertrag ab? Hat ein Architekt ein Urheberrecht an seinen Daten? Deckt die Berufshaftpflicht für Architektenleistungen die Leistungen eines BIM-Managers ab?

BIM kostet bei einer Bürogröße von sechs Mitarbeitern im ersten Jahr 646 Euro pro Mitarbeiter im Monat. Nach fünf Jahren reduziert sich der Aufwand auf 305 Euro.
Softwareberater Martin Schnitzer von Schnitzer& konnte den finanziellen Aufwand für den Einsatz von BIM pro Mitarbeiter und Monat auf den Euro genau angeben – exakt aufgeschlüsselt nach Anschaffungskosten für Hardware, Software, Schulung, Updates, Weiterbildung und Servicevertrag, differenziert nach Bürogröße.
Darauf folgten zwei Erfahrungsberichte von Planern über gänzlich unterschiedlich strukturierte Projekte, die zeigten, welches Potenzial in BIM steckt, die aber auch deutlich machten, wo noch die Knackpunkte in der Praxis liegen:

Little BIM: Viele Behörden, Planer und Firmen arbeiten noch nicht mit BIM
Rico Lehmeier, BIM-Koordinator bei Berschneider + Berschneider schilderte den schrittweisen Aufbau der IT-Ausstattung des 40 Mitarbeiter starken Architekturbüros von 2D-CAD über 3D-CAD bis zu mittlerweile 20 Lizenzen der aktuellsten BIM-tauglichen Archicad-Version. Anhand der Verwaltungsgebäude der FIT AG in Lupburg und der Rädlinger Bauunternehmens GmbH in Cham demonstrierte Rico Lehmeier anschaulich die 3D Visualisierungen – vom Schnitt mit Kollisionsuntersuchung von Leitungsführungen über Isothermenverläufe bei Fensteranschlüssen bis zu Präsentationsrenderings – die Leistungsfähigkeit der BIM-Methode für ein Architekturbüro dieser Größe. Neben vielen Vorteilen der BIM-Methode sieht Lehmeier noch Entwicklungsbedarf beim direkten Datentransfer aus dem BIM-Modell in externe Ausschreibungsprogramme. Das größte Hindernis, das Potenzial von BIM voll auszuschöpfen sei jedoch die Tatsache, dass Auftraggeber den Einsatz von BIM forderten, ohne sich damit genau auszukennen und noch zu wenige Fachplaner, Firmen und Behörden auf die BIM-Methode umgestellt hätten.

Big BIM und Open BIM: Auch bei einer optimalen Projektstruktur müssen Schnittstellen explizit geklärt werden.
Im Gegensatz zu diesem Beispiel für den Einsatz von Little BIM, der auf den Architekten, Bauherrn und wenige Fachplaner beschränkt bleibt, stellte Klaus Schmidt vom TGA-Büro H+S Ingenieure seine ersten Erfahrungen mit BIG BIM und Open BIM vor. Der Laborbau-Spezialist H+S Ingenieure zeichnet sich für die Prozesstechnik des Forschungsgebäudes Bau 098 IVR der F. Hoffmann – La Roche in Basel, von den Architekten Hammes-Krause aus Stuttgart verantwortlich. Der Anspruch des Bauherrn für das 130 Mio. CHF-Bauwerk ist ein Null-Fehlerprojekt, bei dem das 3D Modell bis auf die letzte Schraube die spätere gebaute Realität exakt abbildet, um die Daten auch für das Facility Management zu nutzen. Das hochkomplexe Projekt ist fachlich und als BIM-Projekt vorbildlich strukturiert und von einem detaillierten vertraglichen Regelwerk hinterlegt, das jeden Prozessschritt regeln soll. Die technische Ausstattung mit einem BIM Space, in dem die Fachplaner in Baubesprechungen an drei großformatigen interaktiven SCE-Bildschirmen ihre Fachmodelle auf das Gesamtmodell abstimmen, lässt keine Wünsche offen. Bei über 70 am Bau beteiligten Planern und Firmen wird aber auch eine solch klare Organisations- und Datenstruktur mit den am Bau üblichen Koordinierungsproblemen, Zeitverzügen und Abweichungen zwischen Planung und Ausführung konfrontiert. Die beim vorgestellten Projekt aufgetretenen Probleme sprach Schmidt offen an und formulierte folgende Voraussetzungen für ein reibungsloseres Gelingen bei BIM Projekten dieser Komplexität: Die Anzahl unterschiedlicher Software der Fachmodelle der Beteiligten muss von Anfang an auf ein Minimum reduziert werden, um die Datenkonvertierung zum Gesamtmodell handlebar zu machen. Alle Beteiligten müssen sich strikt an den Zeitplan und die vereinbarten Qualitätsstandards halten, auch wenn das dem individuellen Arbeitsstil widerspricht. Bei Kollisionen von Leitungstrassen muss der unabhängige BIM-Manager klären, welcher Planer ändern muss, damit es nicht zu einseitigem Mehraufwand bei einzelnen Planer kommt. Die Schnittstellen zwischen baulicher Planung und Anlagenplanung müssen geklärt sein: BIM führt beim Verschieben von Leitungstrassen nicht automatisch die dazugehörigen Durchbrüche im Rohbau oder die Lage der Unterkonstruktionen der Leitungen nach. Abweichungen zwischen Realität und 3D-Modell entstehen auch durch eingebaute Produkte, deren Abmessungen von den in der Planung vorgesehenen Produkten abweichen. Schließlich kommt es zu Verzögerungen, wenn Planungsänderungen nicht unmittelbar während der BIM-Sessions direkt ins 3D-Modell eingepflegt werden, sondern erst am Ende der Woche als pdf an die Fachplaner verschickt werden.

Eine Definition existiert für BIM, rechtliche Regeln gibt es dafür noch nicht. Diese müssen individuell vertraglich vereinbart werden.
Nach diesen drei Sichtweisen aus jeweils unterschiedlicher Perspektive auf praktische Erfahrungen mit der BIM-Methode gab Alexandra Riemann, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht bei der MEK Rechtsanwaltsgesellschaft, einen Überblick wie sich die Implementierung von BIM auf die Planungsstruktur auswirkt, wie sich diese neue Planungsstruktur in der Vertragsstruktur abbilden lässt, welche Möglichkeiten einer zusätzlichen Honorierung von BIM-Leistungen für Architekten bestehen, wo sich Lücken in der Architekten-Haftpflichtversicherung auftun könnten und welche Urheberrechte der Architekt an seinen Daten hat.
Obwohl das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur BMVI zwar eine Definition des Begriffes BIM herausgegeben hat, liegen momentan keinerlei gesetzliche Regelungen vor, wie ein BIM-Projekt strukturiert sein muss und welche Leistungen der Architekt im Rahmen eines BIM-Projektes zu erbringen hat. So empfiehlt Alexandra Riemann den Architekten auf keinen Fall Verträge mit Pauschalhonorar zu unterzeichnen, die als Leistung allein die Formulierung »einschließlich aller BIM-Leistungen« enthalten, da diese Formulierung keinerlei Aussagekraft habe und demnach ein kostendeckendes Honorar für den unkalkulierbaren Aufwand ebenfalls unkalkulierbar sei.

Statt Pauschalhonorar: Lastenheft für Auftraggeber, Pflichtenheft für Architekten
Stattdessen müsse der Auftraggeber eindeutig und detailliert formulieren, welche Ziele er mit dem Einsatz von BIM verfolgt und daraus abgeleitet in einem detaillierten Lastenbuch, den Auftraggeber-Informations-Anforderungen AIA, definieren, welche Anforderungen er an den Einsatz von BIM stellt. Aus dem Lastenheft des Auftraggebers leitet sich das Pflichtenheft für den Architekten als Auftragnehmer ab, der so genannte BIM Abwicklungsplan BAP. Dieser ist ggf. während des Projekts fortzuschreiben. Es muss eindeutig vereinbart werden, ob der Auftraggeber den BAP erstellt oder der Architekt. Auf Basis dieser Struktur leitet sich auch die optimale Vertragsgestaltung ab: Der Architektenvertrag bildet mit allen Allgemeinen und Besonderen Vertragsbedingungen (AVB, BVB) sowie spezifischen Nicht-BIM-Leistungsbildern und sonstigen Anlagen die übergeordnete Struktur. Für sämtliche BIM-Themen werden Besondere Vertragsbedingungen zu BIM vereinbart, die alle Leistungsbilder für BIM, das BIM -Lastenheft AIA sowie das BIM-Pflichtenheft BAP enthalten.

BIM Leistungen dürfen nur extra honoriert und frei verhandelt werden, wenn sie einer – in der HOAI formulierten – Besonderen Leistung zugeordnet werden können.
In ihrem Abschnitt Honorierung von BIM-Leistungen sorgte Alexandra Riemann für unliebsame Überraschungen und kontroverse Meinungen im Publikum. Denn die Äußerungen international agierender Architekten beim ersten Workshop, das Honorar sämtlicher BIM-Leistungen könnte frei verhandelt werden, wurde für deutsche Verhältnisse stark relativiert: Alle BIM-Leistungen, die nach HOAI den Grundleistungen entsprechen dürfen nicht extra und nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindest- bzw. Höchstsätze honoriert werden. Die HOAI ist methodenneutral, wesentlich ist das Ergebnis der Leistung und nicht der Weg, wie es entstanden sei. Im Gegenteil: wenn die BIM Methode durch Automatisierung zu einem erheblichen Minderaufwand führt, sind ggf. auch Honorarsätze unterhalb der Mindestsätze erlaubt, weil das Ergebnis nicht durch seine eigene planerische Leistung entstanden sei. So lehnte in einem Präzedenzfall ein Richter die Ansprüche eines Architekten ab, der lediglich die Planung eines anderen Architekten in ein BIM-Modell eingepflegt hatte. Begründung: keine eigene gedankliche Entwurfsleistung. BIM-Leistungen sind allerdings schon extra zu honorieren, wenn sie laut HOAI den Besonderen Leistungen zuzurechnen sind. Dann gilt die freie Verhandelbarkeit der Höhe des Honorars, das heißt sowohl Mindest- als auch Höchstsätze können unter- bzw. überschritten werden. Generell nicht möglich ist die Anhebung der Honorarzone, da diese nicht nach der Komplexität der Methode, sondern allein nach der Komplexität des Projekts anzusetzen ist.
Zu Haftungsfragen gab die Referentin zu bedenken, dass sich die klassische Berufshaftpflicht meist nur auf die Planungsleistung des Architekten beschränkt. In wieweit Koordinationsleistungen und reine IT-Aufgaben, wie sie bei BIM-Managern und BIM-Koordinatoren die Tagesordnung sind abgedeckt sind, müsse unbedingt bei der Versicherung abgefragt werden, da durch diese übergeordneten Aufgaben im Haftungsfall schnell die übliche Deckungssumme überschritten werden kann.

Für den Fall von Streitigkeiten während des Planungsprozesses sollten sich die Vertragspartner vorab z.B. auf eine Mediation einigen. Verzögerungen durch juristische Auseinandersetzungen einzelner Gewerke vor Fertigstellung gefährden den Gesamterfolg.
Schließlich legte die Juristin den Architekten dringend ans Herz, sich bereits zu Projektbeginn mit dem Auftraggeber über Konfliktlösungen für potentielle Streitfälle während des Planungsprozesses zu verständigen. Denn gerade bei BIM ist nichts hinderlicher als so geartete Verzögerungen, die das Gesamtprojekt aus dem Takt bringen. So könne man z.B. durch Mediationen vereinbaren, die Streitigkeiten erst nach Baufertigstellung zu klären.

Offene Punkte: Personeller Aufwand für BIM bei kleinen Büros und die Ausbildung kompetenter BIM-Manager
Dass der BDA Bayern mit seiner BIM-Initiative auf dem richtigen Weg ist zeigt das abschließende Lob eines Teilnehmers: „Als Software-Administrator bin ich oft auf BIM-Veranstaltungen, die meistens von der Softwareindustrie organisiert werden und nur die Vorteile der eigenen Programme in den Vordergrund stellen. So praxisnahe Präsentationen des Themas und kritische Diskussionen wie heute habe ich selten erlebt.“ Umso unverständlicher war die relativ geringe Teilnehmerzahl, die sich überwiegend aus IT Spezialisten zusammensetzte. So vertiefte die abschließende Diskussion vor allem Fragen des Urheberrechts und Verwertungsrechts der Architektendaten, eine Landschaftsarchitektin mahnte zu Recht an, dass ihr Berufszweig in den BIM-Modellen bisher fast nie berücksichtigt wird, obwohl sie selbst mit BIM arbeite. Das wichtige Thema, wie denn ganz kleine Architekturbüros personell den Aufwand für BIM mit eigens abgestellten hausinternen BIM-Koordinatoren stemmen sollen, konnte nur angerissen werden und die große Frage, wie künftige BIM-Manager ausgebildet sein müssen, um einerseits über viel Erfahrung in komplexen Bauprozessen zu verfügen und gleichzeitig die allerneueste Software zu beherrschen bleibt ebenfalls ein Thema für eine Fortsetzung der Workshop-Reihe des BDA.

Links:
Nachbericht BIM Workshop, Teil 1

Als Anhaltspunkt für eine Vertragsgestaltung hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR 2017 einen Leitfaden für die Formulierung von AIA erarbeitet, der als Grundlage herangezogen werden kann:
http://www.bbr.bund.de/BBSR/DE/FP/ZB/Auftragsforschung/3Rahmenbedingungen/2013/BIMLeitfaden/01_start.html?nn=436756&notFirst=true&docId=702606

Deutschlandweit anwendbare Broschüre der Architektenkammer NRW »BIM für Architekten, Leistungsbild, Vertrag, Vergütung«, in der die Möglichkeiten einer Honorierung von BIM-Leistungen als Besondere Leistungen nach HOAI – in die einzelnen Leistungsphasen gegliedert – aufgelistet sind:
http://www.aknw.de/mitglieder/veroeffentlichungen/publikationen/bim-bak/

Autor: Frank Kaltenbach

Klaus-Peter Segatz
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BIM Workshop, Teil 2 in der Geschäftsstelle des BDA Bayern in München

 

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Rainer Post, Referent für Honorar- und Baurecht im Landesvorstand des BDA Bayern

 

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Martin Schnitzer, Schnitzer&, gibt den finanziellen Aufwand für den Einsatz von BIM pro Mitarbeiter und Monat auf den Euro genau an

 

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Rico Lehmeier, BIM-Koordinator bei Berschneider + Berschneider, schilderte den schrittweisen Aufbau der IT-Ausstattung des 40 Mitarbeiter starken Architekturbüros

 

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Klaus Schmidt vom TGA-Büro H+S Ingenieure stellte seine ersten Erfahrungen mit BIG BIM und Open BIM vor

 

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Klaus-Peter Segatz
Alexandra Riemann, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht bei der MEK Rechtsanwaltsgesellschaft, sorgte in Abschnitt „Honorierung von BIM-Leistungen“ für unliebsame Überraschungen und kontroverse Meinungen im Publikum

 

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Interessierte Workshop-Teilnehmer