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Nachbericht: Aus Dialog wird Stadt: Wir müssen reden!

5. November 2019

Die von der Arbeitsgruppe Städtebau des BDA Bayern konzipierte Tagung „Aus Dialog wird Stadt: Wir müssen reden!“, die am 24.10.2019 in Kooperation mit der Evangelischen Akademie in Tutzing stattfand, beschäftigte sich mit der Schlüsselrolle der Kommunikation im Städtebau. Dazu kamen Vertreter der beteiligten Akteursgruppen dreier städtebaulicher Projekte unterschiedlicher Größenordnung und Entstehungsgeschichte zu Wort: Architekten, Bewohner, Vertreter der Bauverwaltung, aus Politik und Quartiersmanagement, die den Tagungsteilnehmern von ihren Erfahrungen berichteten.

Viele Herausforderungen für den modernen Städtebau sind strukturellen Einflussfaktoren aber auch einer zunehmenden Fragmentierung der Gesellschaft geschuldet, erklärte Judith Stumptner, Tagungsleiterin der Evangelischen Akademie Tutzing. So erhöht die zunehmende Aufspaltung von Interessen und Identitäten auch die professionellen Anforderungen an Architekten und Stadtplaner, betonte Eberhard Steinert, stellvertretender Landesvorsitzender des BDA Bayern: Neben ihrer Kernaufgabe des Planens und Bauens müssen sie die Interessen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen kanalisieren und in ihre Arbeit einfließen lassen. Alleine die steigende Bürgerbeteiligung als Symptom des Wandels unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses, in dem oktroyierte Entscheidungen immer weniger akzeptiert werden, stellt einen neuen Kommunikationskomplex dar, der ein professionelles Management erfordert. Dies stellt Verwaltungen und Planer vor große Herausforderungen.

Der einleitende Vortrag von Julian Nida-Rümelin über die „Ethik der Stadt“ versorgte die Tagungsteilnehmer mit einer fundierten Reflexionsgrundlage für die vorgestellten Projekte. Die zugrundeliegende Frage nach den Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben, sei eine der ältesten Fragen der Philosophie. Vor allem eine Beschäftigung mit der platonischen Tugend „Sophrosyne“ (griech. Besonnenheit) könne bei der Definition einer zeitgemäßen Rolle aller an der Stadtentwicklung Beteiligten hilfreich sein. Sie zielt auf die Einsicht ab, dass Individuen unterschiedliche Fähigkeiten haben, die sie in die Gestaltung von Gesellschaft einbringen können und wollen, woraus sich die berechtigte Forderung nach einer gegenseitigen und wertschätzenden Anerkennung der Expertise des Anderen ableiten lässt. Für Architekten und Stadtplaner stellt sich somit die Frage, wie sie den Bürgern wieder mehr Vertrauen in ihre Expertise vermitteln können. Gleichzeitig sind sie gefordert, die Bürger ihrerseits als Experten in Bezug auf ihre eigenen Lebensentwürfe zu achten.

Der Anspruch der Bürger sich einzubringen, kam der Realisierung des Projekts „Altes Garmisch neu belebt“ zugute. Nachdem der Bau eines Hotels auf einem zentralen städtischen Grundstück in Garmisch-Partenkirchen per Bürgerentscheid verhindert worden war, verkaufte die Gemeinde das Grundstück nicht an den meistbietenden Investor, sondern vertraute der Idee des Initiators einer Baugemeinschaft für ein durchmischtes und familienfreundliches Stadtquartier. Zum guten Ergebnis trug auch eine durch den Initiator stark reglementierte Kommunikation zwischen Baufamilien, Architekten und Verwaltung bei, da sie einen stringenten Bauprozess ermöglichte. Allerdings wären aus Sicht der Baufamilien mehr Transparenz sowie ein unabhängiges, professionelles Kostenmanagement wünschenswert gewesen – das Gelingen des Projekts sei für sie schließlich eine Existenzfrage gewesen.

Auch der Bau des Ostermeierquartiers in Regensburg ging auf einen Bürgerentscheid für die Entwicklung des Grundstücks zurück. Die Entscheidung für den Entwurf fiel in einem kooperativen Wettbewerb, allerdings wurde das Grundstück dann höchstpreisbietend verkauft. Eine Entscheidung, die heute wohl anders ausfallen würde, wie Tanja Flemmig, stellvertretende Amtsleiterin des Bauordnungsamts Regensburg, betonte. Die versprochene Umsetzung der Leitdetails des Entwurfs wurde im Nachhinein mit anwaltlicher Hilfe unter Verweis auf „drohende Bauschäden“ verhindert und auch im Übrigen schritt der Investor weitestgehend ohne Beteiligung von Verwaltung und Architekt in der Umsetzung fort – was gravierende Probleme in der Qualität der Ausführung nach sich zog. Der gelungene, robuste Städtebau könne dies allerdings aushalten.

Am dritten Projekt, der Seestadt Aspern in Wien, wurde deutlich, welche Aspekte bei der professionellen Umsetzung einer Stadtplanung in dieser Größenordnung entscheidend sind. Unter der Prämisse der Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl wird der Prozess der Stadtbildung von einem professionellen Quartiersmanagement begleitet, welches frühzeitig gemeinschaftsbildende Initiativen unterstützt, sowie die (künftigen) Bewohner mit Information und Orientierungshilfen versorgt. Zudem wurde deutlich, dass eine gelungene Stadtentwicklung nur mit Hilfe einer kompetenten Planung und einer langfristigen Strategie möglich ist.

In der durchwegs angeregten Diskussion war man sich unter allen beteiligten Akteuren einig, dass eine kräftige räumliche Idee eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für eine gemeinsame Projektarbeit darstellt. Um diese zu finden ist ein Planungswettbewerb das geeignete Instrument. Ein zweites zentrales Element ist eine strukturierte, professionelle und vertrauensvolle Kommunikation. Viele Wege können zu einem konstruktiven Zusammenwirken von räumlicher Idee und dem geeigneten Kommunikationsweg für eine gelingende Stadtplanung führen. Um diese Vielfalt der Varianten für alle Beteiligten und künftige Projekte nutzbar zu machen, wäre es wünschenswert im Rahmen von Projektdokumentationen die jeweils zurückliegenden Prozesse zu reflektieren, zu sammeln, auszuwerten und vor allem für künftige Projekte nutzbar zu machen.

BDA Bayern